Varianten und Besonderheiten bei Gedenkmünzen 

Seit E.Paproth Mitte der siebziger Jahre seinen ersten Katalog über Varianten bei
deutschen Kursmünzen veröffentlichte, hat sich dieses Gebiet mittlerweile in den 
letzten Jahren zu einem immer mehr bekannt werdenden Spezialgebiet entwickelt.
Viele Sammler haben nach und nach begriffen, daß ihre Sammlungen gar nicht
wirklich vollständig sind, wenn es bei einzelnen Ausgaben Stücke gibt, die mit 
definitiv zwei-oder mehreren verschiedenen Prägewerkzeugen hergestellt worden
sind. Bekannt und gesucht sind z.B. Varianten bei 1 DM -Stücken, bei denen Vor-
der-, Rückseitenstempel und auch der Rändelungsstempel in einer alten und neuen
Version innerhalb eines Jahrganges bei derselben Münzprägestätte vorkommen. 
Hier reichen die Preise mittlerweile von moderaten 35 Euro für ss- Stücke bis zu
mehreren Tausend Euro für das einzige bekannte Stück 73 G mit alter Rändelung.

Es ist fast verwunderlich, daß bisher niemand gezielt nach Varianten bei den deut-
schen Gedenkmünzen zu 5 DM gesucht hat. Offenbar hatte sich stillschweigend 
die nicht reflektierte „Erkenntnis“ etabliert, daß bei den geringen Auflagen solcher
Gedenkstücke nicht wirklich mehrere diverse Stempel gebraucht worden wären. 
Bekannt waren lediglich einige Stempelbesonderheiten, so z.B. die Ausgabe des 
Mercator ( 1969 F) mit sog. „langem R“. Auch bei den „offenen Fenstern“ beim
Reichstag (1971 G) liegt keine echte Variante vor, denn die eigentlich Struktur 
tragenden Fenster wurden bei der "Abziehung" des Stempels nur etwas zu stark 
bearbeitet, so daß das Relief auf den  Münzen nicht mehr ausgeprägt wurde.

Schließlich existieren einige Exemplare diverser Münzen ganz ohne oder mit der
Randschrift einer anderen Ausgabe; diese sind aber durch Zufall entstanden und
stellen zumindest keine regulär geprägte Variante im eigentlichen Sinne dar.

Anders jedoch bei einzelnen Ausgaben weiterer Gedenkmünzen, von denen ich 
ein eindrucksvolles Beispiel vorstellen möchte.

 

5 DM 1968 G „Johannes Gutenberg“ 

Diese Gedenkmünze wurde mit einer Auflage von  nur 2,93 Millionen Exemplaren
im Jahr 1968 von  der Prägestätte Karlsruhe (Mzz.G) herausgegeben.

Im Laufe der Jahre hatte ich eine größere Menge Gutenbergs angesammelt, so daß
es sich lohnte, die Exemplare einmal auf das eventuelle Vorliegen von Stempelbe-
sonderheiten durchzumustern. Im September 2001 stellte ich dabei fest, daß für die
Herstellung der Bildseite des Prägestempels mit dem Portrait von Gutenberg offen-
bar mehrere Graveure beauftragt worden waren.

Möglicherweise hat auch ein- und derselbe Graveur mehrere Varianten angefertigt-
es sind in der Tat mindestens 3 verschiedene Prägestempel hergestellt und benutzt 
worden. Diese unterscheiden sich deutlich in der Morphologie der Buchstaben der 
Umschrift „Johannes Gutenberg“ und diskret in der Gesichtspartie.

Bei der Normalausgabe sind die Buchstaben nach unten hin ganz glatt begrenzt, sie
stehen sozusagen auf gerader Basis, gut zu sehen beim Buchstaben „H“ von 
Johannes (Abb.a). Viel seltener ist eine Variante, bei der die Basis der Buchstaben
nach oben konv ex verläuft, d.h. die Buchstaben wirken wie eingedellt bzw. haben
eingezogene Standlinien (Abb. 1b). Noch seltener ist eine dritte Variante, bei der die
Buchstaben fast auf Spitzen zu stehen scheinen (Abb.1c), es erinnert etwas  an 
tanzende Buchstaben. Zwischen diesen drei Ausgaben gibt es keine fließenden 
Übergänge, d.h. es liegen hier echte Varianten vor, die mit einem jeweils separaten
Prägestempel erzeugt worden sind. Offen bleibt, warum man alle drei Stempel ein-
gesetzt hat. Üblich ist nämlich, von einer Patrize mehrere gleichartige Prägestempel
abzuformen. Es ist mit Sicherheit ein Mehraufwand gewesen, drei diverse Patrizen
herzustellen und dann von allen dreien einzelne Prägewerkzeuge abzuformen.

Die beschriebenen Eigenheiten der Varianten 1 bis 3 setzen sich auch an weiteren
Buchstaben mehr oder weniger deutlich fort (Abb.2 a,b,c).

Es gibt auch einen Unterschied am rechten Augenlid Gutenbergs. Dieses ist bei den
Exemplaren der Normalausgabe scharf abgegrenzt und imponiert als wulstige Lid -
struktur, bei den Varianten ist es viel schmaler ausgeprägt und geht nahtlos in die 
Augenbrauen-Partie über. Wenn man ganz akribisch schaut, fällt auch an der Bart-
struktur auf, daß diese bei den Varianten mehr von flachen Wellenlinien überzogen
scheint als bei der Normalausgabe, welche sich eher glatt und flach darstellt. 
Zuletzt kann man auch an der Zahl „8“ aus der Jahresangabe der Umschrift (1468)
diverse Unterschiede in der Prägung erkennen (Abb. 3).


Auch sehr auffallend und prägend ist der Unterschied an den Ziffern 1 und 4 der
Jahreszahl 1492. Man beachte die geschwungenen Formen im Bild rechts.

Ich konnte bisher weit über Tausend Exemplare Gutenberg sichten. Dabei fiel mir
mit der Zeit auf, daß die Variante 3 gegenüber meinen Erstuntersuchungen noch
weit seltener ist als angenommen.

Insgesamt ergibt sich aus meinen Untersuchungen bis zum jetzigen Zeitpunkt
(a) Juli 2004   (b) Oktober 2013  folgende Verteilung:
  

Variante 1 (Normalausgabe)                 (a)       97 %               (b)      98 %

Variante 2 (eingezogene Standlinien)   (a)  2 - 2,5 %              (b)    1,8 - 1,9%

Variante 3 (“tanzende Buchstaben“)    (a)     0,5- 1%            (b)    0,1 - 0,2 %
   
Die Bewertung einer solchen Seltenheit wie Variante 3 sollte an ihrem Vorkommen
ausgerichtet werden. Da sicher der größere Teil aller Gutenbergs inzwischen einge-
schmolzen sein wird und niemand gezielt die beiden Varianten herausgesucht hat, 
kann man nur schätzen, wieviele Stücke hiervon am Markt sein werden. Noch kann
man nicht einfach in den Münzhandel gehen und eine solche Variante kaufen. Ich 
selbst besitze nur wenige Stücke der V3.

Lassen wir solche Stücke sich einen Preis bilden - jeder sollte versuchen seine
Sammlung zu vervollständigen. Solange der Handel noch nicht auf den Trichter
gekommen ist, mögen Sie Gelegenheit haben, sich ein Dutzend Stücke genau 
anzuschauen. Manchmal wird man a uch auf Flohmärkten fündig - neulich konnte
ich immerhin zwanzig Exemplare sichten - doch Fehlanzeige. Wenn aber mal so 
ein Stück dabei ist, ist der Verkäufer wahrscheinlich noch froh, einen Gutenberg
„losgeworden“ zu sein, ohne zu wissen, was er da hergegeben hat.

 

Die Kennzeichnung der Varianten bei Gedenkmünzen sollte nach der laufenden
Nummer erfolgen. Der Gutenberg trägt in der Reihenfolge der Gedenkmünzen
der Bundesrepublik die Nummer 9.
 
                                                                Bewertungsvorschlag (Gutenberg)

Lfd. Nr. Variante Nr. Beschreibung ss vz st
09 (L) 9.1 gerade Standlinien 3,- 6,- 10,-
(L) 9.2 eingezogene Standlinien 10,- 25,- 40,-
(L) 9.3 Tanzende Buchstaben  40,- 80,- LP

Die Gesamtauflage von 2,93 Mio. Exemplaren dürfte sich aufteilen in 
V1 (97%) = 2,84 Mio., V2. (2,5%) = ~ 73.500 Ex. & V3 (0,5%) = ~ 15.000 Ex.

Die Varianten geraten damit in den Bereich deutlich unterhalb der Auflagen des
Germanischen Museums (20 0.000 Ex.) oder so seltener Kursmünzen wie 2 DM 
Heuss 1973 J mit alter Rändelung (ca. 80.000 Ex., Preis ab 40 Euro (ss) bis über 
100 Euro (vz/stgl).
Man sollte überlegen, ob nicht noch ein deutlicher Preisaufschlag gerechtfertigt 
wäre. Es bleibt abzuwarten , wieviele Exemplare überhaupt noch in Sammlungen
gefunden und ggf. veräußert werden. 
Wenn Sie in Ihren Rücklagen die V3 entdecken, bitte ich  um Information.
Nur so lassen sich wirkliche Vorkommen noch halbwegs sicher abschätzen. 

 

MDL 30.06.2004

 ©  10.10.2008 / 26.10.2013